Essen – Sa., 20.12.2025, 14:00

Rot-Weiss Essen vs SSV Ulm 1846 3:2

Stadion an der Hafenstraße, 17.237 Zuschauer, 3.Liga
Zum Abschluss der Rückrunde kamen die Ulmer Spatzen zu Besuch an die Hafenstraße. Der SSV befindet sich auf einer wilden Achterbahnfahrt. Vor nicht zweieinhalb Jahren feierte der Verein den Aufstieg in die Dritte Liga und marschierte einfach mal durch in Liga Zwei. Aus dieser ging es aber direkt wieder runter und nun droht direkt das Horror-Szenario des Durchmarsches in die Regionalliga, denn aktuell belegen die Ulmer einen Abstiegsplatz. Grund dafür ist auch eine fiese Verletzungs-Misere. Trauriges Parade-Beispiel ist Dominik Martinovic. Der in Essen beliebte aber glücklose Stürmer, veränderte sich kurz vor dem Ende der Sommer-Wechselfrist an die Donau, traf direkt im ersten Spiel für die Schwarz-Weißen und erlitt noch diesem Spiel einen Kreuzbandriss. Weitere Spieler gesellten sich zu ihm ins Lazarett, so dass der SSV stark ersatzgeschwächt nach Essen reiste. Großartiges Selbstvertrauen strahlten die Gäste in der Anfangsphase auch nicht aus, so dass der glorreiche RWE direkt die Initiative übernahm. Genau das gehört ja zu den Dauer-Baustellen. Das Spiel im eigenen Stadion gegen auf dem Papier unterlegene Gegner zu machen, war zuletzt keine Parade-Disziplin der Götter in Rot und Weiss, klappte aber heute erstaunlich gut. Nach 60 Sekunden hätte die Tor-Musik eigentlich schon erklingen müssen, doch der junge Defensiv-Franzose Bouebari verzog. Lange dauerte es dennoch nicht, bis sich das Netz hinter dem Ulmer Schlussmann beulte. Und so klingelte es in den ersten zwanzig Minuten auch direkt zwei Male im Spatzennest.
Zunächst profitierte der am langen Pfosten lauernde Jansen von einer Fehleinschätzung des Ulmer Keepers, der eine Flanke unterlief. Und dann war es Klaus Gjasula, der mit einem artistischen Kopfball nach knapp einem Jahr im schönsten Trikot der Welt endlich seinen ersten Treffer für den Deutschen Meister von 1955 erzielte. Damit war der SSV eigentlich mausetot. Apropos Mause, dieser durfte erneut auf der Bank Platz nehmen und das völlig zurecht. Da der glorreiche RWE aber eigentlich ja immer für eine Nachlässigkeit im Abwehr-Verbund gut ist, blieben die Ulmer am Leben. Eine dieser fiesen Flanken, an die niemand so richtig rankommt, segelte nach einer halben Stunde Spielzeit in den Fünfer von Jakob Golz und rutschte ins lange Eck zum Anschlusstreffer. Ab diesem Zeitpunkt waren die Gäste besser im Spiel und Golz musste vor der Pause noch einmal sein ganzes Können im Eins-gegen-Eins aufbieten, um den knappen Vorsprung zu sichern. Nicht einmal zehn Minuten waren im zweiten Durchgang gespielt, als die Spatzen einen Eckball geschenkt bekamen. Eine Fehlentscheidung mit Folgen, denn wieder segelte der Ball Richtung des zweiten Pfostens und einen Kopfball später stand es zur Freude von 700 mitgereisten Ulmern – für diese Szene eine starke Zahl in der aktuellen Lage – unterstützt von ein paar versprengten Oberhausener Freunden unentschieden.
Völlig überflüssig, aber viel Zeit blieb nicht, um sich darüber zu ärgern. Moustier brachte eine seiner Einwurf-Schleudern in den Ulmer Strafraum. Diese wurde zwar geklärt, aber Mizuta lederte den geklärten Ball aus 18 Meter volley ins rechte untere Eck zur erneuten Führung. Die alte Regel des Fußballs. Stehste in der Tabelle unten, geht vieles schief. Stehst Du oben, gelingen Dinge, die sonst nicht gelingen. Der eingewechselte Safi hätte die Partie entscheiden können, als er einen Gäste-Verteidiger mit seiner Schnelligkeit stark überlief und den Schnapper schon ausgespielt hatte, sich aber noch entscheidend stören ließ und den Hundertprozenter vergab. Mal wieder, muss man sagen. Es reichte dennoch für den knappen, aber nicht ganz unverdienten Sieg. Die Stimmung – nicht überragend, aber bodenständig. Mit dieser Architektur kann die Hafenstraße nur zum Hexenkessel werden, wenn das Zusammenspiel von Ultra-Gruppen und den anderen Tribünen funktioniert und möglichst alle mitmachen. Beides passiert aber viel zu selten. Ich bin gespannt, ob die Schließung der offenen Ecken, welche im Sommer beginnen soll, die Stimmung entscheidend zum Positiven beeinflusst. Es brannte. Sehr oft. Meist einige Fackeln hier und da, dann mal roter und weisser Rauch und im letzten Spieldrittel gab es auch eine zentrale Aktion mit massivem Fackeleinsatz.
Ich bin zu Pyro positiv eingestellt. Der (verantwortungsvolle) Einsatz von Pyrotechnik ist für meinen Geschmack ein wertvolles optisches Stilmittel des Supports. Die RWE-Szene nutzte es in der Hinrunde aber zu häufig. Das gefällt nicht jedem und kostet vor allem viel Geld, da die Vereine ja vor dem Mafia-Verband einknicken und brav jede auferlegte Strafe zahlen, anstatt sich gemeinsam dagegen zu positionieren. Auch die zuletzt dauerpräsente, unsachliche Kritik, an der Polizei, beinahe eine Art Kriegserklärung, begründet durch ein jüngeres Choreo-Verbot aus mir nicht bekannten Gründen, findet in der rot-weissen Anhängerschaft keine Mehrheit. Zumal die Szene sich anmaßt für die ganze Stadt zu sprechen. Ich sehe polizeiliche Maßnahmen und Entscheidungen beim Fußball auch kritisch und oft nicht nachvollziehbar und willkürlich. Ein sachliches Aufbegehren trifft aber auf mehr Verständnis als wilde Polemik. Beide Sachverhalte spalten aktuell das rot-weisse Publikum und nach meiner Meinung wäre die Ultra-Szene gut beraten, die Schärfe herauszunehmen und etwas sparsamer mit brennbarem Material umzugehen, anderenfalls kann das die Stimmung bald endgültig vergiften. Was grundsätzlich schade wäre, aber eben auch die Mannschaft auf dem Rasen erreichen und hemmen kann, was eine aktuell durchaus existente Aufstiegs-Chance dann deutlich verkleinert.

Verl – Sa., 13.12.2025, 16:30

SC Verl vs Rot-Weiss Essen 0:0

Stadion an der Poststraße, 4.269 Zuschauer, 3.Liga
Der SC Verl hat sich in den vergangenen Jahren zu einem stattlichen Angstgegner für den glorreichen RWE entwickelt. Der letzte Sieg überhaupt gegen die Ostwestfalen liegt bald zehn Jahre zurück, der letzte Auswärts-Erfolg glänzt bereits mit zwölf Jahren Vergangenheit. Wäre also ein guter Zeitpunkt gewesen, diese unschöne Serie zu durchbrechen. So klein und harmlos wie die SC Verl klingt, ist er aber nun mal nicht (mehr). Sowieso ist der Verein in dieser Spielzeit erst mit zwei Niederlagen ausgestattet, damit ist es das Team mit den wenigsten Spielen ohne Punktgewinn in der aktuellen Saison, so liegt die letzte Niederlage doch bereits zehn Spiele zurück – eine wirklich starke Serie. Der Sportclub hat sich zu einem Top-Team der Liga entwickelt und diese Partie mutierte daher zu einem dieser berühmten Sechs-Punkte-Spiele. Mit einem Sieg wäre der Deutsche Meister von 1955 am Sportclub in der Tabelle vorbeigezogen. Dazu kam es nicht. Es war ein Spiel auf Augenhöhe, nicht brillant, aber vorzeigbar und spannend. Während der RWE es mit schneller Überbrückung des Mittelfeldes versuchte, mit langen hohen Bällen oder flachen steilen Pässen in die Spitze, übten sich die Gastgeber darin, mit geordnetem aber schnellem Kurzpassspiel in das Angriffsdrittel zu kommen. Wirklich gefährlich wurde es aber selten, dieses Spiel bot kein Chancen-Feuerwerk. Während Jakob Golz in der ersten Hälfte nicht einmal eingreifen musste, da die zwei Bälle, welche von der Verler Offensivabteilung abgesendet wurden, nicht direkt auf das Tor kamen, hatten die Roten durch Mizuta durchaus die Chance, einen Treffer zu erzielen. Auch ein Kopfball von Kraulich strich nur um Sackhaaresbreite am Tor vorbei.
Auch im zweiten Durchgang hatten die Westfalen mehr Ballbesitz, Torgefahr resultierte daraus nicht. Auch nicht mehr bei den Rot-Weissen. Safi und Arslan fehlen mit Krankenschein, Jansen hatte endlich mal den Vorzug vor Mause in der Spitze bekommen. Er blieb blass, wurde aber auch nicht in Szene gesetzt, hing sprichwörtlich in der Luft. Rechts defensiv stand Hofmann für den verletzten Kostka in der Startformation. Den Jungen sehe ich ja wirklich gerne mit seiner rotzigen und abgezockten Spielweise und er bewirkt auch im Aufbauspiel deutlich mehr als der stocksteife Kostka, ich tat diese Meinung bereits in einem früherem Bericht kund. Die Gastgeber zogen die Partie in der Schlussviertelstunde deutlich auf ihre Seite, dem RWE gelang nur noch selten die Befreiung, brenzlig wurde es vor Jakobs Golz Gehäuse aber dennoch nie. Der eingewechselte Mause – eine wirklich schwierige Personalie – bekam dann in der letzten Minute der Nachspielzeit noch frei vor dem Tor die Chance, den ‚Lucky Punch‘ zu setzen, vergab aber kläglich. Wie immer, ist man geneigt zu sagen. Das Zuspiel von Brumme war aber auch nicht druckvoll genug und geriet dazu noch etwas in den Rücken, was Mause in eine unvorteilhaftere Position brachte. Ein echter Top-Stürmer – und als das gilt er ja – macht den aber trotzdem. Daher meine Meinung (mit der ich im rot-weissen Umfeld nicht alleine dastehe): kann weg. Über 40 Prozent der Zusehenden waren aus der Ruhr-Metropole angereist und verbreiteten gute Stimmung. Das machten die Capos heute gut, zumal das kleine enge Stadion, welches ich persönlich gerne bereise, trotz Rundum-Überdachung nicht die beste Voraussetzung für einen guten Support bietet.

Nürnberg – So., 07.12.2025, 13:30

1.FC Nürnberg VfL vs SpVgg Greuther Fürth 2:2

Max-Morlock-Stadion, 47.150 Zuschauer, 2.Bundesliga
Durch die ausgedehnte Grenzkontrolle wurde beinahe eine halbe Stunde Verspätung aufgebaut, die aber bis zu meinem Ausstieg in Augsburg fast vollständig wieder aufgeholt wurde. Ankunft kurz vor sieben. Da ich sicherheitshalber etwas Puffer eingebaut hatte, blieb nun eine gute Stunde Zeit bis zur Weiterfahrt nach Nürnberg. Augsburg am frühen Morgen kann auch nix, die Straßenreinigung war damit beschäftigt, die Spuren der Feierwütigen zu beseitigen. Ein beinahe komplett leerer in München gestarteter ICE lieferte mich um kurz nach acht Uhr in der Franken-Metropole ab. Der Rucksack verschwand im Schließfach und dann gönnte ich mir das wirklich hervorragende Brunch-Buffet im ‚Alex‘ am Christkindelmarkt. Kugelrund wurde noch eine Verdauungsrunde durch die Altstadt gedreht, ehe mich die S-Bahn zum Max-Morlock-Stadion beförderte.
Die Einlass-Prozedur war eine wahre Frechheit und asiatisches Benehmen hätte unweigerlich zum Verpassen der Intros geführt, daher waren wieder mal Drängler-Qualitäten gefragt. Während der ‚Glubb‘ nach desaströsem Saisonstart nach einem Zwischenspurt im Tabellen-Mittelfeld angekommen war, zierten die ‚Kleeblätter‘ das Tabellenende. Derbys interessieren sich aber nicht für Tabellen, daher war die Hütte ausverkauft und das Feld bereitet. Die ‚Nordkurve Nürnberg‘ zeigte in ihrer Choreo eine Reminiszenz an die Stadt. Eine große Blockfahne zeigte sehr detailliert das vom Stadtnahmen flankierte mittelalterliche Stadtbild Nürnbergs, bei dem sich aus meiner Position nicht erkennen ließ, ob dieses gemalt oder gedruckt worden war. Wenn der Lappen gemalt wurde, hat das meinen höchsten Respekt. Am Zaun prangte ein verherrlichendes Banner. Rechts und links der Blockfahne wurden Fahnen mit den Stadtwappen Nürnbergs – es gibt deren zwei – geschwenkt. Etwas abenteuerlich mutete an, dass der Stadionsprecher Regieanweisungen gab, wann welche Fahnen eingesetzt werden sollen. Das sollten die Capos der Kurve doch wohl selber angeleitet bekommen. Die Gäste, unterstützt von Freunden des FSV Frankfurt, ehrten in ihrer Choreo das von 175 Jahren fertiggestellte Fürther Rathaus. Erschließt sich mir allerdings nicht richtig, wie man darauf kommt, sowas in die Choreo einzubauen. Hinter der Choreo wurden Folien in den Clubfarben präsentiert und hellgelbe Fackeln gezündet. Ein Banner am Zaun unterstrich die Abneigung zur Nachbarstadt.
Während sich die Gäste um die ‚Horidos‘ danach auf ein dichtes Schwenkfahnenbild beschränkten und mit großem Banner die Rückbenennung in den traditionellen Vereinsnahmen Spielvereinigung Fürth forderten, rauchte und qualmte es in der Nordkurve während des gesamten Spiels. Leider wurden meist nur wenige Fackeln oder Rauchdosen auf einmal gezündet. Das ganze Material in einer Aktion zu opfern, sähe natürlich wesentlich eindrucksvoller aus. Die Nürnberger Kurve hatte Besuch von den Freunden vom IFK Göteburg, Rapid Wien und den Unterirdischen aus dem Ruhrgebiet. Zeit, das Geschehen in den Kurven zu beobachten, war ausreichend vorhanden. Das Geschehen auf dem Rasen war in der ersten Halbzeit schlicht desaströs. Kaum eine durchdachte Aktion war zu erkennen, alles eher dem Zufall überlassen. Ein strukturierter Spielaufbau war nicht zu sehen. Die ‚Glubberer‘ wirkten zwar selbstbewusster als das verunsichert auftretende und nach Stabilität suchende Tabellen-Schlußlicht, die optische Überlegenheit verhalf den Gastgebern aber nicht zu gefährlichen Torraumszenen.
Das änderte sich plötzlich und unerwartet mit Beginn des zweiten Durchgangs. Auf einmal war Musik drin. In einer völlig wilden Viertelstunde direkt nach dem Seitenwechsel konnten die Schwarz-Roten zwei Mal die Führung erzielen, die aber postwendend von den Grün-Weißen wieder ausgeglichen wurde. Auch danach kam das Spiel nicht mehr zur Ruhe, Tore fielen aber keine mehr. Auch wenn der FCN in der Schlussphase seine Bemühungen noch einmal intensivierte, konnten die Gäste einen schmeichelhaften Punkt über die Stadtgrenze entführen. Allerdings vergaben diese kurz vor dem Ende auch noch ein todsicheres Ding, als ein Spieler dem nach einem Pfostentreffer herumirrenden Torhüter die Murmel trocken in die Arme schoss. Damit ging eine richtig blutige Tour so langsam zu Ende. Das Gepäck aus dem Bahnhof geholt und mit der U-Bahn in den Westen der Stadt gefahren, stand auch schon die über Blablacar gebuchte Mitfahrgelegenheit bereit. Diese entsorgte mich nach regenreicher Fahrt in Düsseldorf. Die Bahn brachte mich – natürlich verspätet – nach Mülheim an der Ruhr, wo mich die beste Gattin der Welt einsammelte. 5.047 Kilometer wurden auf der Reise zurückgelegt, 2.070 mit dem Zug, 1.621 mit dem Flieger, 1.061 mit dem Auto, 294 mit dem Fernbus und einer mit dem Mietroller. Dazu kamen etliche Kilometer mit der Metro, dem Linienbus und den eigenen Füßen.

Zagreb – Sa., 06.12.2025, 15:00

GNK Dinamo Zagreb vs HNK Hajduk Split 1:1

Stadion Maksimir, 17.028 Zuschauer, Prva Hrvatska nogometna liga
Am Freitag ging es weiter nach Zagreb. Eigentlich ohne Stress, denn der Flieger sollte erst um Viertel nach eins starten. Eigentlich. Kollege Tim brachte mich noch zur Haltestelle. Als dort die Flughafen-Linie 1X direkt vor meiner Nase wegfuhr, hätte mir klar sein sollen, dass es eventuell doch noch interessanter wird. Der nächste Bus war verspätet, was das Zeitpolster schrumpfen ließ. Jedoch nicht besorgniserregend, da die Flightradar-App eine halbstündige Verspätung des Rainers anzeigte. Als nächstes war die Straße zum Airport von der Polizei gesperrt worden, was einen größeren Umweg über die Autobahn bedeutete. Malaka! Das Erreichen des Fliegers war aber kein Problem, letztlich ging es um 14:00 Uhr mit 45 Minuten Verspätung in die Luft. Aufgrund der Zeitverschiebung landeten wir um 14:15 Uhr auf dem ‚Medunarodna zracna luka Franjo Tudman‘ in Zagreb, oder besser in Velika Gorica, 10 Kilometer südöstlich der kroatischen Hauptstadt. Da unbedingt ein Bustransfer (der kroatische Rollfeld-Busfahrer an sich will ja beschäftigt werden) für die 100 Meter von der Parkposition des Fliegers zum Terminal nötig war, trat ich um 14:31 vor eben jenes. Früh genug, um den zu jeder vollen und halben Stunde verkehrenden Flughafenbus in die Stadt abfahren zu sehen. Eigentlich nicht so tragisch, da wenige Minuten später der den Flughafen passierende Linienbus 290 fuhr. Und wieder mit Betonung auf ‚eigentlich‘.
Der Bus war pünktlich, da aber bestimmt 30 Leute zustiegen und jeder umständlich mit Bargeld herumhantieren musste, um einen Fahrschein zu erwerben dauerte es ohne Übertreibung eine Viertelstunde bis wir ablegten. Damit war der anvisierte Zug nach Koprivnica endgültig unerreichbar. Auch nicht so schlimm, denn der Erstliga-Kick vom dort beheimateten Club Slaven Belupo war eher Lückenfüller als Herzenswunsch. Da ich bisher weder den Transfer dorthin noch ein Hotel gebucht hatte, beschloss ich den Druck aus dem Tag zu nehmen und in Zagreb zu bleiben. Der Blick in die üblichen Buchungs-Apps ließ mich aber ratlos zurück, denn es waren nur wenige Angebote vakant und diese (bis auf Dorms, aber aus dem Alter bin ich lange raus) ab 200 Euro aufwärts. Was da abging wird auf ewig ungeklärt bleiben. Also erneute Planänderung und mit dem nächsten Zug doch nach Koprivnica. Das hätte eine knappe Ankunft und das wenig ehrenhafte, aber auch wenig tragische Verpassen der ersten Spielminuten bedeutete. Eigentlich!! Als ich dann im Zug saß, der DB-like sechs Minuten zu spät von seinem Startbahnhof losfuhr, sprangen schon in Sesvete, in der Peripherie von Zagreb, wieder alle auf und verließen das Gefährt.
Die Auflösung: Schienenersatzverkehr – kann man sich nicht ausdenken! Damit machte das so alles keinen Sinn mehr. Also ab in die nächste Kiste zurück nach Zagreb und in Ruhe gecheckt, wo es in der Umgebung eine halbwegs bezahlbare Übernachtungsmöglichkeit gab. Die Kompromiss-Lösung aus Preis, Leistung und Bequemlichkeit ergab ein Hotel in Velika Gorica, für das mit Frühstück immer noch ein knapp dreistelliger Betrag zu entrichten war. Hvala. Zumindest konnte ich mit dem Bus ohne Umstieg dorthin reisen. Mittlerweile war es obligatorisch, dass auch dieser fast eine halbe Stunde Verspätung hatte. So erreichte ich knapp viereinhalb Stunden nach Landung mein gerade eben zwei Kilometer vom Flughafen entferntes Nachtquartier. Es klappt halt auf so ner Tour nicht immer alles – es ist das Leben, das wir wählten. Ein üppiges Abendmahl um eine gefüllte Pljeskavica verbesserte die Stimmung maßgeblich. Dann kurz auf dem kleinen Weihnachtsmarkt einer völlig schrägen Folklore-Band gelauscht und den Kroaten beim hemmungslosen Suff zugeschaut und anschließend mit zwei ‚Karlovacko‘ vonne Tankstelle ins Bett gekuschelt. Insgesamt eigentlich ein versöhnlicher Tagesabschluss. Aber sich alles schönzureden gehört zu diesem Hobby ja beinahe zwangsläufig dazu.
Gegen zehn Uhr verließ ich am nächsten Morgen das Hotel und fuhr mit dem Bus zurück nach Zagreb. Der Fahrkartenkauf wurde erledigt, indem der Fahrer mich einfach durchwinkte. Manchmal blitzt er noch auf, der alte Balkan. Gepäck ins Bahnhofsschließfach und ab zum ‚Stadion Maksimir‘, um die Ticketfrage zu klären. Stellte sich letztlich einfacher dar als befürchtet, auch wenn ich mehr Währungseinheiten für den Erwerb der Haupttribünen-Karte einsetzen musste, als ich eigentlich gewillt war. Auch hier nahm ich mir dann erst einmal Zeit für die Graffiti-Umgebung, bevor ich noch mal mir der Tram in die Stadt fuhr.
Das Wetter war ungemütlich, daher verbrachte ich die Zeit bis zum Spiel in einer kleinen Kneipe, wo ich mit dem Wirt und seinem Kellner ins Gespräch kam. „Most ugliest stadium in the world“ nannten Sie das ‘Maksimir‘. Ganz unrecht hatten Sie da nicht. Ist schon ne ordentliche Gammelbude, die auch völlig unvollkommen daherkommt. Ohne jedes Dach, die Tribünen irgendwann und in verschiedenen Bauphasen uneinheitlich erneuert, die Gegentribüne aber längst gesperrt, die Flutlichtmasten im Innenraum – das ganze Ding ist irgendwie einfach nur zusammengeschustert und abgeranzt. Aber es tut sich was. Das alte ‚Stadion Kranjceviceva‘, Heimstadion von Lokomotiva Zagreb, wurde dem Erdboden gleichgemacht und wird komplett neu gebaut. Danach wird es mit einem Fassungsvermögen von knapp 12.000 Zuschauern den beiden Erstligisten Dinamo und Lokomotiva, aber bis auf Weiteres auch der Nationalmannschaft als Heim-Spielstätte dienen. Zumindest so lange bis ein neues ‚Maksimir‘ errichtet wird, denn dieses soll nach dem Umzug von Dinamo in das neue Stadion in Angriff genommen werden. Also dann rein ins ‚Vjecni derbi‘, das ‚ewige Derby‘, wie das bedeutendste Spiel Kroatiens analog zum ‚Veciti derbi‘ in Belgrad bezeichnet wird.
Als ich das Stadion-Innere betrat, bekam ich erst einmal einen Schreck. Im Gästeblock verloren sich keine 50 Leute und ich glaubte schon an ein Verbot oder einen Boykott. Der Blick vom Oberrang der Haupttribüne nach rechts brachte Entwarnung. Polizei und Ordner hatten einen restriktiven Einlass-Parcour aufgebaut, der zwei Kontrollpunkte beinhaltete und wahnsinnig Zeit kostete. Das hatte zur Folge, dass der letzte ‚Hajduke‘ erst mit dem Halbzeitpfiff im Stadion war. Schikane allez! Gut 1.000 Anhänger des dalmatischen Aushängeschildes werden es letztlich gewesen sein. In der Heimkurve wurde heute auch der Oberrang geöffnet, das ist bei den übrigen Gegnern in der Regel nicht der Fall. Absoluter Blickfang ist ja dieses fette ‚Bad Blue Boys‘-Banner, welches vor drei Jahren bei einer etwas aus dem Ruder gelaufenen Pyro-Aktion ein Raub der Flammen und schließlich erneuert wurde. Die ‚Torcida‘ flaggte im Gästebereich am Zaun zum Spielfeld nur das große Banner der Hauptgruppe aus Split an. An der Absturzsicherung des Blocks wurden ein paar kleinere Banner befestigt, unter anderem jenes der ‚Torcida Zagreb‘ – ein kleiner Nadelstich gegen die Gastgeber.
Die Partie benötigte auf dem Spielfeld und auf den Rängen etwas Zeit, um in Fahrt zu kommen, unter anderem, weil es ja dauerte bis sich der Away-Sektor füllte. Im Heimbereich wurde hier und da mal eine Fackel gezündet, das Pyro-Arsenal wurde offenbar für die Dunkelheit geschont. Solange es noch Tageslicht gab, wurde von den ‚Bad Blue Boys‘ aber eine stattliche blaue Rauchwand in den Himmel abgesendet. Dazu schallten die balkan-typischen, dunklen, kehligen Schlachtrufe und Gesänge durch das Stadion. Auf dem Rasen übernahmen die Gastgeber die Regie und ließen Hajduk kaum zur Entfaltung kommen. Während Hajduk zuletzt einige Punkte hatte liegen lassen, konnten die Gastgeber den kleinen Rückstand auf die Tabellenspitze wettmachen und diese gar übernehmen und offensichtlich hatten sie vor für klarere Verhältnisse zu sorgen. Ein Tor für Dinamo Mitte der ersten Hälfte hielt der VAR-Überprüfung nicht stand. Trotz drückender Überlegenheit ging es torlos in die Pause.
Während Hajduk mehrere große Schwenker zum Einsatz brachte, nachdem der Away-Bereich endlich vollbesetzt war, blieb die Heimkurve in Durchgang eins frei von optischem Material. Erst zur zweiten Halbzeit wurden die Schwenkfahnen ausgepackt und dem Block damit ein dynamischeres Bild verliehen. Zehn Minuten waren in der zweiten Hälfte gespielt, als auf Foulelfmeter für Dinamo entschieden wurde. Aber erneut hatte der Video-Referee Einwände und die Entscheidung wurde kassiert. Dafür traf Hajduk gute 20 Minuten vor dem Ende komplett aus dem Nichts zur Führung. Bis das Tor aber endlich final anerkannt wurde, vergingen erneut mehrere Minuten, bis eine vermeintliche Abseitsposition überprüft war. Völlig unverständlich, warum das wieder so lange dauerte. Dieser VAR-Mist raubt dem Spiel echt sämtliche spontanen Reflexe und Emotionen. Das Gegentor nahm die Dinamo-Kurve zum Anlass, die Tribüne in rotem Bengalfeuer erstrahlen zu lassen. Kurz danach machten die Gäste dann richtig Ballett und rasteten komplett aus. Haufenweise Fackeln wurden gezündet und auf die Laufbahn geworfen und ein Dutzend Leuchtspurpatronen auf das Spielfeld geschossen. Das Ganze ging über mehrere Minuten und die Partie war für diesen Zeitraum unterbrochen. Aber wie auf dem Balkan üblich, wurde einfach geduldig abgewartet, bis das Feuer erloschen war und dann ging es ohne weitere Diskussion einfach weiter.
Die Gastgeber drängten natürlich auf den Ausgleich und schnürten die Dalmatiner (nein! nicht die Hunderasse) in der eigenen Hälfte ein. Die Situation, welche zum Tor geführt hatte, war auch annähernd der einzige brauchbare Angriff, den die Gäste bis dahin zustande gebracht hatten. 18 Minuten Nachspielzeit wurden aufgrund der ganzen VAR- und Pyro-Unterbrechungen ausgerufen und in der zwölften war es soweit. Hajduk konnte dem Dauerdruck einfach nicht standhalten. Nach einem schlecht gespielten Konter der Gäste konnte Dinamo im Gegenangriff noch den Ausgleich erzielen und damit zumindest die Tabellenführung retten. Vor beinahe 15 Jahren hatte ich dieses Spiel schon einmal gesehen, auch damals brannte es lichterloh, aber heute wurde die Nummer noch einmal getoppt, obwohl den Gästen nur noch ein halb so großer Bereich zugestanden wurde. Per Pedes ging es zurück in die Stadt und nach einem kleinen Abendessen zum Bahnhof. EN414 stand schon gestriegelt am Gleis 1. Einen Nachtzug hatte ich ewig nicht mehr genutzt und diese Verbindung passte perfekt in den Ablauf. Das gebuchte Vierer-Liegeabteil wurde auf der gesamten Strecke lediglich noch von einem jungen Serben belegt. Pünktlich ging es um 19:39 los, schon 23 Minuten später stand der erste Lok-Wechsel an der Grenze an. Die Kroaten wollten ihre Maschine nicht nach Slowenien entlassen. Ab Ljubljana bis zur Abfahrt aus Salzburg hab ich gut gepennt. War natürlich klar, dass lediglich die deutschen Grenzer eine akribische Kontrolle durchführten – alles Schwachsinn, dadurch hält man niemanden auf, der illegal einreisen will.

Thessaloniki – Do., 04.12.2025, 17:00

PAE Iraklis vs Panetolikos 0:0

Kaftanzoglio Stadio, 600 Zuschauer, Kypello Elladas Gruppenphase
Auch heute gab es keinen Grund für übertriebene Eile. Nach einem späten Frühstück begab ich mich auf eine Sightseeing-Runde. Das Zentrum der Stadt bietet eine ganze Menge Nachweise seiner römischen, byzantinischen und osmanischen Vergangenheit, die sich teils versteckt zwischen den mehrgeschossigen Häusern finden. Das heutige sehr geordnete Stadtbild ist einem großen Brand im Jahre 1917 geschuldet, bei dem große Teile der Stadt zerstört und dann neu aufgebaut wurden.
Da die Richtung stimmte, lief ich weiter bis zum ‚Kaftanzoglio Stadio‘, um bei Tageslicht die zahlreichen Graffiti des Iraklis-Anhangs unter die Lupe zu nehmen. 
Danach ging es wieder zurück zum Hotel. Die Körperpflege musste noch nachgeholt werden, da am Morgen aufgrund von Arbeiten der Stadtwerke kein Wasser verfügbar war. Was natürlich auch erst genau in dem Moment kommuniziert wurde – schade für jene, die gerade eingeseift unter der Dusche standen. Ein Uber brachte mich dann wieder zum ‚Kaftanzoglio‘, wo ich drei Stunden nach dem ersten Besuch erneut aufschlug. Überraschend betraten etwa 50 Gäste-Hinchas aus dem 400 Kilometer entfernten Agrinio die Kurve. Nicht übel für ein Spiel auf einem Mittwoch-Nachmittag. Im Heimbereich um Gate 10 sammelten sich gut 250 Leute, ansonsten stieß die Partie auf begrenztes Interesse, etwa 600 Leute insgesamt ‚füllten‘ den riesigen Kessel, der trotz seines schlichten Design Charme hat. Sowohl der Iraklis-Anhang, der eine Freundschaft zu den Ultras des FSV Mainz 05 pflegt, als auch der von Panetolikos ist dem linken Polit-Flügel zuzuordnen. Gegenseitige Sympathie ist nicht ausgeschlossen, war aber für mich final nicht gesichert festzustellen war. Von Gate 10 gab es dann schöne lang getragene Melodien zu hören. Auch der einsetzende, immer fieser werdende Regen konnte die Gruppe nicht stoppen. Ein unglaublich intensiv agierender Capo übertrug seine Energie auf die Kurve, die sich in einen wahren Rausch supportete. Das war echt nicht übel. Ein Tor gab es heute leider nicht zu sehen, aber Iraklis, Tabellenführer der Nord-Gruppe der zweiten Liga, verlangte dem Erstligisten alles ab, war dem Siegtreffer am Ende sehr nah, vergab aber beste Chancen. 
Nur zehn Minuten Fußweg waren es zur ‚Nick Galis Hall‘, die von außen wie eine Miniaturausgabe der Dortmunder Westfalenhalle wirkt, und welche der Basketball-Abteilung von Aris als Heim-Spielstätte dient. Dort traf ich wieder mit Tim zusammen. Etwas mehr als 4.000 der 5.100 Plätze fanden einen Nutzer, als Aris die leicht favorisierten Gäste von Universitatae Transsilvania Cluj aus Rumänien empfing. Ich habe mit Basketball nicht viel am Hut, aber wenn es ordentlich was auf die Ohren gibt, schöne Gesänge durch die Halle schallern, dann bin ich doch gern dabei. Anwurf war günstig eine gute Stunde nach Spielschluss bei Iraklis. Beim Basketball können sich Spielstände schnell ändern. Ein 8:0-Start der Gastgeber, war im dritten Drittel aufgebraucht und kippte in einen Rückstand, der letztlich zu einem finalen Resultat von 88:98 führte. Nach dem Spiel speisten wir gemeinsam noch mal ausgiebig, bevor es mal wieder viel zu spät in die Waagerechte ging. 

Thessaloniki – Mi., 03.12.2025, 21:30

PAE Aris vs PAOK 1:1

Stadio Kleanthis Vikelidis, 12.000 Zuschauer, Kypello Elladas Gruppenphase
Am Vortag hatte ich nach Ankunft in Blagoevgrad die Optionen für die Weiterreise nach Thessaloniki geprüft. Lediglich zwei Busse sollten vom Busbahnhof fahren, einer früh am Morgen und einer am Abend, beide zu wenig ansprechenden Zeiten. Die Internet-Recherche ergab eine weitere Möglichkeit am Vormittag, allerdings sollte die Schaukel nicht vom Busbahnhof fahren, sondern unweit davon an der Straße halten. Auch wenn dieser Ort auf der Website des Unternehmens recht gut erläutert wurde, blieb ein Restpotential an Nervenkitzel, ob das denn so klappt. Das tat es. Beinahe auf die Minute genau kam das Stangen-Taxi vorgefahren, die Tür öffnete sich, der Beifahrer sprach fragend meinen Namen aus und ich sprang hinein. Sofort ging es weiter – ein Pitstop, um den uns jeder Formel 1-Rennstall beneidet hätte. Unspektakuläre vier Stunden später traf ich in Thessaloniki ein. Kurz die Sachen im Hotel abgeworfen und dann traf ich mich mit meinem früheren Arbeitskollegen Tim, der seit drei Jahren in der Stadt lebt und sich neben seiner wenig nachvollziehbaren Vorliebe für den blau-weißen Verein aus Duisburg-Meiderich nun auch Aris Thessaloniki verschrieben hat. Nach einem ausgiebigen Spaziergang entlang der Promenade suchten wir die Taverne seines Vertrauens auf und ließen es uns gutgehen. 
Den folgenden Tag ließ ich ruhig angehen und besorgte erst einmal den Haushalt. Bedeutete, ich musste in einem SB-Waschsalon mal etwas Wäsche waschen, da ich ja aus Überzeugung mit möglichst wenig Gepäck reise. Das Wetter war eher geht so, daher passierte danach zunächst nicht viel und gegen halb drei machten wir uns auf in den Stadtteil Charilaou, damit ich bei Tageslicht ne Runde um das ‚Stadio Kleanthis Vikelidis‘ drehen und mir auch die ganzen Graffiti anschauen konnte. Auch die befreundeten Gruppen ‚The Unity‘ aus Dortmund und die ‚Green Angels‘ aus Saint-Etienne durften sich an der Stadion-Fassade verewigen. Herausragend ist die auf einen ganzen Hausgiebel gemalte Erinnerung an einen jungen Anhänger, der vor drei Jahren bei einem Überfall durch Fans des Stadtrivalen PAOK an den Folgen von Stichverletzungen verstarb.
Nach einem opulenten spätnachmittäglichen Mahl trafen wir uns mit Tims Aris-Freundeskreis in einer Taverne zur Einstimmung auf das Spiel. Das Stadion, mit der im Verhältnis zu den anderen Rängen hohen und steilen Haupttribüne, trifft genau meinen Geschmack und liegt eng im Stadtviertel. Ich mag diese Standorte, denn diese versprühen im Gegensatz zu den ganzen neu erbauten Palästen auf der grünen Wiese noch klassisches Fußball-Flair. Die Flutlichter zeichneten bei der feuchten Witterung einen schönen Lichtkegel in den Abendhimmel.  Während Aris mit seinem Vereinsnamen dem griechischen Gott des Krieges huldigt, steht das Kürzel PAOK übersetzt für ‚Panthessalonikischer Sportclub der Konstantinopler‘. Hintergrund ist, dass Griechen, die aus Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, vertrieben wurden, den Verein gründeten. Da Aris bisher eine ziemlich schwache Saison spielt, war in Kombination mit dem bescheidenen Wetter bei weitem kein ausverkauftes Stadion zu erwarten. Vermutlich war es sogar das am schlechtesten besuchte Derby der letzten Jahre. Auch die Zeiten, in denen die Stadien mit pyrotechnischen Produkten in wahre Höllenfeuer verwandelt wurden, sind in Griechenland seit der letzten Saison vorbei, da der Verband begann, drakonische Strafen zu verhängen, um im wahrsten Sinne die Unart zu ersticken, dass die brennenden Fackeln unkontrolliert auf das Spielfeld geworfen werden.
Ein Derby in diesem Stadion zu sehen, ist mir schon lange ein Anliegen und gern hätte ich dieses lichterloh brennen sehen, aber ich habe den Besuch halt wieder und wieder verschoben und die ‚guten‘ Zeiten damit wohl leider für immer verpasst. Shit happens. So war der Konfettiregen als Intro der nördlichen Hintertor-Tribüne schon fast mehr, als zu erwarten war. Immerhin schallten schöne Melodien von der Südtribüne, auf der die führende Gruppe ‚Super 3‘ ihren Platz hat, zu uns herüber. Der griechische Pokalwettbewerb wird nach einer Qualifikationsrunde zunächst in einer großen Gruppe mit 20 Teams gespielt. Jeder Verein spielt aber nur gegen vier andere Mannschaften, das Format entspricht dem der aktuellen Hauptrunden in den Europapokal-Wettbewerben. Nur die ersten vier der Tabelle qualifizieren sich direkt für die nächste Runde und Aris stand mit drei Siegen aus drei Spielen gut da, während PAOK nur eines von bisher zwei Spielen gewann. Bedeutete, dass Aris sich mit einem Sieg nicht nur sicher für das Viertelfinale qualifiziert, sondern dem Rivalen zusätzlich auch ein großes Problem bereitet hätte.
Das favorisierte PAOK übernahm sofort die Regie und brachte die Hausherren in Bedrängnis. Nach einer eigentlich unscheinbaren Situation im Sechzehner von Aris griff plötzlich der VAR ein und nach Überprüfung am Monitor entschied der Referee früh in der Partie auf Elfmeter. Doch der Aris-Schnapper hielt den Ball und das war offenbar der Impuls, den die Gastgeber brauchten, um auf Augenhöhe mitzumachen und fünf Minuten vor dem Seitenwechsel erzielten diese sogar die Führung. Die aber nicht lange Bestand hatte. Denn wiederum hatte der Video-Referee Einwände. Es lag in der Entstehung des Angriffs eine Abseitsstellung vor, daher ging es torlos in die Pause. Kurz nach dieser war es aber soweit und ein unbekannter Brasilianer namens Dudu (Frage an die älteren Leser: war das nicht so ein trickreicher VW Käfer aus dem gleichnamigen Film?) traf zur Führung für Aris. Das Spiel war danach nicht sehr gut, lebte eher von der Spannung. Viele Torraum-Situationen gab es nicht, PAOK hatte aber deutlich mehr Ballbesitz. Als dann eigentlich alle – und ich meine alle, denn Gäste-Anhänger sind ja nicht zugelassen – Zuschauer auf Sieg eingestellt waren, trafen die Gäste mit einem skurrilen Sitz-Fallrückzieher in der sechsten Minute der Nachspielzeit zum Ausgleich. Wenn alles normal läuft, kostet dieser Treffer Aris leider die direkte Quali für das Viertelfinale und es geht in die Play-offs – schon bitter bei zehn Punkten aus vier Spielen. Mehr als der Heimweg war um diese Uhrzeit nicht mehr drin. Nachtruhe war angesagt. 

Blagoevgrad – Mo., 01.12.2025, 17:30

PFK Pirin 1922 Blagoevgrad vs FK Yantra 1919 Gabrovo 2:2

Stadion Hristo Botev, 200 Zuschauer, Vtora liga
Der frühe Vogel fängt den frühen Vogel. Nach zu wenig Schlaf wurde dem Niki Lauda sein Airbus im Auftrag vom Rainer aus Irland mit Ziel Sofia geentert. Zu meiner Freude trafen wir dort am neuen Terminal 2 ein, was die nervige Shuttelei vom alten T1, wo die Low-Coster meist entladen werden, ersparte und stattdessen sofort die Metro Richtung Zentrum bestiegen werden konnte. Zeit hätte ich genug, daher nahm ich bei bestem Wetter die Gelegenheit wahr, die Innenstadt zu Fuß zu queren. Ich war schon mehrfach in Sofia und ich mag diese Stadt mit ihren tollen Bauwerken.
‚Union Ivkoni‘, die in Bulgarien ne Art Marktführer für nationale Busverbindungen sind, beförderte mich um halb zwölf nach Blagoevgrad im Südwesten des Landes. Kein Traumziel, passte aber perfekt perfekt in die Route, Fahrzeit knapp 90 Minuten. Netterweise ließ man mich sofort ins Hotel einchecken, daher konnten nach der kurzen Nacht die Füße noch ein wenig hochgelegt werden, ehe ich aufbrach um eine Runde durch die 70.000-Einwohner-Stadt zu drehen, die aber nicht viel zu bieten hat.
Kurz hinter dem Stadtzentrum beginnen schon die hügeligen Ausläufer des Rila-Nationalparks und dort liegt etwas erhöht auch das nach dem Nationalhelden Hristo Botev benannte Stadion, welches nur auf einer Seite über eine immerhin recht hohe, aber offene Tribüne verfügt. Am Rande liegt der Gästeblock, in dem sich immerhin zehn Gäste einfanden. Diese hatten meinen absoluten Respekt, für diesen halbseidenen Kick an einem Wochentag fast vier Stunden Anreise auf sich zu nehmen. Zwischen Gast- und Heimbereich befindet sich ein kleiner, wenig gepflegter VIP-Bereich hinter Glas, der allerdings von jedem betreten werden kann. Eine willkommene Gelegenheit sich zwischendurch etwas aufzuwärmen. Unter den insgesamt etwa 200 Zuschauern fanden sich auch einige Jugendliche und Kids, welche den Gastgebern ihre Stimmen liehen und in der zweiten Halbzeit sogar ein paar grüne Fackeln zündeten. Das Spiel war nicht gut, aber auch nicht wirklich schlecht. Pirin erzielte im ersten und zweiten Durchgang je einen Treffer zur 2:0-Führung und steuerte einem sicheren Sieg entgegen. Kurz vor dem Ende wurde die Chance verpasst, das Spiel zu entscheiden, im Gegenzug gab es Handelfmeter für Yantra und die Gäste erzielten den Anschluss. Und  die Geschichte wiederholte sich. Nachdem Pirin mit einem Pfostentreffer erneut die Chance liegen ließ, für klare Verhältnisse zu sorgen, stellte Yantra nur wenige Zeigerumdrehungen später per Foulelfmeter sogar noch auf Remis. In der Nachspielzeit war das Visier offen und beide Teams suchten den Sieg, beide erfolglos. Ich latschte wieder runter in die Stadt und labte mich an lokalen Speisen in einem Restaurant, bevor ich mich im Hotel in die Waagerechte begab.

Linz – So., 30.11.2025, 17:00

Linzer ASK vs SK Rapid Wien 3:0

Arena auf der Gugl, 16.263 Zuschauer, Bundesliga
Da ich früher wach wurde als gewünscht, blieb noch Zeit für einen Rundgang durch den Ort. Außer einem schönen Marktplatz, drei Straßen Altstadt und der fetten Burg, die hoch über der Stadt thront, hat Trencin aber nicht viel zu bieten. 
Da ich zu sehr rum trödelte, verpasste ich tatsächlich meinen vorher gebuchten Zug. War zum Glück nicht tragisch, weil schon 15 Minuten später der nächste fuhr und ich aufgrund der Bahn-Erfahrung des Vortages erst einmal nur ein Ticket bis Bratislava gelöst hatte. Mit der Weiterreise nach Linz beschäftigte ich mich dann auf der 100minütigen Fahrt und fand noch passendes über Blablacar. In Bratislava latschte ich die drei Kilometer zum Nationalstadion, dem von Mohamed benannten Treffpunkt für die Mitfahrgelegenheit nach Linz. Ich nutze diese Plattform ja selten, aber ein Fahrpreis von 14 Euro gegenüber fast 50 für die Schienen-Option ließ keine Fragen offen. Der junge Ägypter offenbarte sich als guter Typ und da er Geschwindigkeitsbegrenzungen nur als Empfehlung bewertete, brachte er mich mit seinem flatschneuen Golf R in nicht mal zweieinhalb Stunden ans Ziel. Dort wurde der Rucksack im Schließfach deponiert und anschließend im Stiegl-Brauhaus deftig gespeist, bevor ich auf die ‚Gugl‘ hochstieg. Auf dieser Anhöhe lag bis vor wenigen Jahren das ‚Linzer Stadion‘, eine weitläufige Leichtathletik-Oval mit Laufbahn, welches ab 2017 nicht mehr den geänderten Bestimmungen der österreichischen Bundesliga entsprach. Aus diesem Grunde spielte der LASK fortan im benachbarten Pasching. Der komplette Neubau eines modernen Stadions an selbiger Stelle des alten Mehrzweckstadions ermöglichte dem Verein schließlich vor zwei Jahren die Rückkehr in die eigene Stadt.
Die Szenen der beiden Clubs sind sich nicht gerade wohlgesonnen, was den Reiz dieses Duells ausmacht. Die ‚Florianer Sängerknaben‘ vor dem Anstoß auf dem Rasen ein LASK-Lied trällern zu lassen, stellte sich als ziemliche Scheiß-Idee heraus. Die Jungs wurden wenig überraschend vom Gästeblock mit einem Rapid-Chant auf die gleiche Melodie gnadenlos nieder gesungen. Der Nebel hatte die Region leider fest im Griff, was keine optimale Sicht auf die Kurven zuließ. Die Gäste hatten Ponchos in den Clubfarben übergezogen und präsentieren das Vereinswappen, vor dem eine offensichtlich verrückt gewordene Person stilistisch abgebildet war, unterlegt mit einem Zaunbanner mit den Worten „Diese Liebe ist krankhaft“. Anschließend wurden einheitliche Schals mit dem Aufdruck „Krankhafte Liebe“ gezeigt. Die Heim-Kurve arrangierte eine aufwändige Choreo zum 30. Geburtstag der Gruppierung ‚Viking Linz‘. Vor schwarzen und weißen Zetteln wurde eine beidseitig bemalte Motiv-Blockfahne hochgezogen. Diese zeigte ein Buch, welches die Zahl 30 auf dem Einband trug. Die Blockfahne war auch wie ein Buch gefaltet und dieses sollte dann quasi aufgeschlagen werden. Am Zaun wurden nacheinander zwei entsprechende Spruchbänder gezeigt. Die Show funzte aber nicht so recht, weil sich die Masse einerseits etwas unbeholfen anstellte und sich die Gruppe offenbar mit der Größe des Lappens verkalkuliert hatte, dieser stieß nämlich im wahrsten Sinne des Wortes an seine Grenzen. Nachdem einige Zeit versucht wurde, zu retten was zu retten war, gab man auf und ließ den Krempel verschwinden.
Als Abschluss wurden in der ersten Reihe 50-60 Fontänen gezündet. Was optisch gut aussah, stellte sich als keine gute Idee heraus, denn der Pyro-Nebel zog bei der feuchten Witterungs kaum ab, was für eine mehrminütige Spielunterbrechung sorgte, ehe der Referee das Spiel wieder freigab. Den Rapidlern war es Wurst und so erstrahlte der Gästebereich kurz darauf in grün. Die Leuchtrakete als Start für die Pyroshow verließ leider die vorgesehene Flugbahn, touchierte das Dach und landete mit einem Affenzahn auf dem Spielfeld, wo das Ding noch ein wenig hin und her tanzte. Was in Deutschland für kollektive Schnappatmung beim Schiri-Team gesorgt hätte, erregte hier wenig Panik und es wurde einfach munter weiter gekickt. Dass dann dennoch wieder unterbrochen wurde, war dem Pyro-Qualm geschuldet, der sich wieder auf den Rasen legte und es dauerte erneut mehrere Minuten, bis die Sicht wieder ausreichte. Rapid spielte überlegen, der LASK hatte die Chancen. Nachdem ein Pfostentreffer schon eine Warnung war, nutzten die Gastgeber die fünfzehnminütige Nachspielzeit der ersten Hälfte zum Führungstreffer, der auch der VAR-Überprüfung standhielt. Auch nach dem Seitenwechsel hatte Rapid die Spielkontrolle, ließ aber weiter jede Torgefahr vermissen.
Diese zeigten dafür die Gastgeber, die zur Zwei-Tore-Führung konterten. Auch während des zweiten Durchgangs wurde immer wieder gezündelt, was zur erneuten Unterbrechung führte. Just in den Moment, als im Away-Sektor kurz vor Ende ein Transparent mit Aufdruck „Anstatt Söldner da wollen wir Krieger“ entrollt wurde, fiel Treffer Nummer drei und entschied das Spiel endgültig. Die verbleibende Spielzeit verbrachte der Wiener Anhang demonstrativ schweigend mit dem Rücken zum Spielfeld. Es dauerte bis in die Nachspielzeit bis Rapid zur ersten gefährlichen Torchance kam. Nach Spielschluss wurde die eigene Mannschaft massiv ausgepfiffen und mit deutlichen Gesten aufgefordert, sich in die Kabine zu begeben. Dabei ist Rapid noch oben dabei, die obere Tabellenhälfte ist eng wie es in Österreich selten der Fall ist, aber nach der Klatsche im Europapokal vor ein paar Tagen, brachte dieser seelenlose Auftritt das Fass wohl zum Überlaufen. Mit beinahe plus 30 Minuten endete diese Partie, solche Verspätungen kennt man ja eigentlich nur von der Deutschen Bahn. In weiser Voraussicht hatte ich genügend Puffer bei der Buchung von D1019 der österreichischen Bundesbahn eingeplant. Gegen 22:00 traf ich im gebuchten Nachtquartier in der Nähe des Wiener Flughafens ein.